Im Rahmen einer internationalen Konferenz zu Menschenrechten an der Uni Hamburg waren Maria Leusa Kaba Munduruku und Ediene Kirixi Munduruku, zwei Frauen vom Oberen Rio Tapajós, in Deutschland. Wir konnten mit ihnen ein Interview führen, das Sie hier nachlesen können.
TS: Maria Leusa, danke für die Gelegenheit zum Interview hier in Hamburg. Bitte stell dich uns doch selbst kurz vor.
ML: Guten Tag, zuallererst. Wir danken unserem Gott Karosakaybu, dass wir hier in Deutschland sein können. Ich bin das erste Mal da, um hier in Hamburg an einer Konferenz teilzunehmen.
Ich komme aus Brasilien, aus dem Bundesstaat Pará, aus dem Kreis Jacareacanga am Rio Tapajós. Derzeit arbeite ich in der Frauenvereinigung und studiere an der Universität von Santarém Jura. Ich bin hier als Koordenatorin unserer Vereinigung „Wakoborũn“ und als Mutter, als Verteidigerin unserer Rechte. Wir pflegen zu sagen: „Wir sind Mütter, wir sind Kriegerinnen und Verteidigerinnen unseres Territoriums.“
Ich bin dort nicht allein. Ich bin zusammen mit anderen Frauen und wir kämpfen gegen die Invasoren und deren Drohungen in unserem Territorium am Oberen Tapajós. Unsere Frauenorganisation heißt „Wakoborũn“ und wir arbeiten zusammen mit der Vereinigung „Ipereğ Ayũ“ und mit weiteren Vereinigungen an der Basis wie der Vereinigung der Lehrerinnen und dem Rat der Kaziken „Cimat“ (= indigener Rat der Munduruku am Oberen Tapajós).
Heutzutage ist das nicht einfach. Von den Frauen her gibt es viele Anfragen und es ist unsere Verpflichtung, in der Auseinandersetzung zu bleiben. Wir haben das schon vor der Gründung unserer Vereinigung gemacht und früher war ich auch die Koordinatorin von „Ipereğ Ayũ“.
Wir überwachen unser Territorium, wir bringen Schilder zur Begrenzung an. Wir bilden Frauen und Jugendliche weiter.
Wir müssen uns mit vielen Bedrohungen auseinandersetzen. Vor allem mit dem Goldabbau mitten in unserem Territorium. Heute gehen wir dafür bis nach Europa, weil wir wissen, dass europäische Firmen dieses Eindringen in unser Territorium unterstützen und fördern. Deshalb verlassen wir immer wieder unser Territorium und sagen, dass wir diese Art von Unternehmen bei uns nicht wollen, diese Projekte des Todes, die unser Volk und unsere Kinder töten.
TS: Um welche Invasionen handelt es sich? Mit welchen Auswirkungen? Wäre es gut für Dein Volk, wenn euer Territorium vermessen und anerkannt wäre?
ML: Derzeit finden Invasionen statt. Wir sind noch im Prozess der Vermessung und Anerkennung unseres Territoriums Sawré Maybu und anderer. Dort kommen auch Holzfäller besonders am unteren Flusslauf. Bei uns am Oberen Tapajós sind es die Goldgräber. Dahinter stehen Firmen, die nicht aus Brasilien sind. Deshalb fordern wir alle auf, die nicht aus Brasilien kommen, in ihren Ländern die Praktiken dieser Unternehmen anzuklagen.
Während meiner letzten Reise war ich in der Schweiz in einer Goldraffinerie (70% des weltweit geförderten Goldes wird in der Schweiz geschmolzen, ein großer Teil aus Lateinamerika, Anm. TS). Ich musste Ihnen sagen, dass an dem Gold, das sie hier verarbeiten, das Blut unserer Kinder klebt. Sie unterstützen ja diese Gewalt gegen uns in unserem Territorium.
TS: Wie steht es mit der Vermessung und Anerkennung Eurer Territorien?
ML: Sie wurde begonnen und hängt jetzt fest. Aber die Vermessung von unserer Seite („auto-demarcação“), die geht weiter. Das machen wir selbst, als Bewegung. Wir säubern den Grenzverlauf, wir vertreiben die Eindringlinge aus unserem Territorium. Bisher haben wir aber kein anerkanntes Territorium. Wir sehen selbst bei den Yanomami, die ein anerkanntes Gebiet haben, dass sie sich gegen die Eindringlinge wehren müssen und noch nicht alle wieder vertreiben konnten. Wir hoffen, dass die Regierung ihre Aufgabe erfüllt. Es ist ihre Verpflichtung, für Sicherheit im Territorium zu sorgen, das Territorium zu überwachen und die nicht anerkannten Territorien zu vermessen und anzuerkennen.
TS: Immer wieder gibt es Berichte über Krankheiten in den indigenen Territorien. Wie sieht es bei euch aus?
ML: Es geht um eine sehr traurige Krankheit. Wir sind krank, nicht nur hier. Auch weiter südlich am Rio Teles Pires, physisch wie spirituell. Wir sind aus dem Heiligen geschaffen worden. Und wenn die Goldsucher kommen und die Bäume fällen, wird das Leben zerstört. Und sie haben das Quecksilber mitgebracht für das Goldschürfen, das uns krank und traurig macht. Mit ihnen kam viel Gewalt und unser Volk der Munduruku ist wirklich krank. Das trifft besonders uns Frauen.
TS: Welche Erwartungen hast du, als Kriegerin und Frau, an die neue brasilianische Regierung?
ML: Noch haben wir eine Erwartung. Aber wir können nicht so lange warten. Wir Indigenen, wir Frauen, wir werden unsere Situation vortragen. Aber es ist schwierig. Wir haben keine guten Erfahrungen mit dem Staat und der Regierung gemacht. Es ist ja ihre Aufgabe, die Territorien zu vermessen und anzuerkennen. Aber oft geben sie dem keine große Priorität. Auf unserer Tagesordnung stehen die Vermessung und Anerkennung des Territoriums und seine Überwachung an erster Stelle. Wir kommen jetzt schon der ersten Jahreshälfte nahe und es hat sich noch nichts getan. Aber lange können wir nicht warten. Wir sind hier und wir hoffen, dass wir es mit der Weisheit unseres Gottes Karosakaybu erreichen werden.
TS: Ende April wird in Brasília das „Acampamento Terra Livre”, das „Camp Freies Land“ stattfinden. Wirst du selbst teilnehmen und was erwartest du dir von dieser Aktivität?
ML: Ja, ich werde da sein, zusammen mit einer ganzen Kommission des Volkes der Munduruku. Wir wollen mit den anderen indigenen „Verwandten“ („parentes“) sprechen. Wir wollen niemanden alleine lassen und deutlich machen, dass es uns zuallererst um die Vermessung und Anerkennung unseres Landes geht. Dort werden sich ja verschiedene Völker treffen, wahrscheinlich mehr als 270. Wir hoffen, dass nicht etwas geschieht, was vor den Camps der vergangenen Jahre passiert ist: Tränengasbomben wurden geworfen. Es war wie im Krieg. Wir hoffen, dass die Regierung auf uns hört, ohne Polizei, ohne Einsatzkommandos, um die Gespräche zu verhindern. Das werden wir erst wissen nach unserem Empfang in Brasília und wir werden dort vom 24. bis zum 28. April sehr viele sein.
TS: Letzte Frage: Wie können wir euren Kampf hier von Europa aus unterstützen. Wie siehst du unsere Rolle?
ML: Wir bitten sehr darum, dass Ihr uns unterstützt. Besonders wenn wir unsere Territorien verlassen und Nachrichten über unsere Situation verbreiten. Wenn wir von unserem Widerstand und unserem Kampf für unser Volk, sein Leben und das Territorium erzählen. Das sollt ihr verbreiten, damit jedes Land und dessen Regierung versteht, wie es um unseren Kampf und unser Leben steht. Prinzipiell erwarten wir Respekt. An vielen Orten, an die wir kommen, hören wir von ähnlichen Kämpfen, von der Gewalt. So sagen wir, dass jedes Land im Kampf sein muss. Wenn wir schweigen, wird es nur noch schlimmer. Wir wollen das Leben, diese Welt, diesen Planeten bewahren und so rechnen wir mit eurer Unterstützung und Bekanntmachung dieser Kämpfe. Auch ihr könnt schreien und unseren Kampf hier öffentlich machen.
TS: Ediene, du bist zusammen mit Maria Leusa nach Hamburg gekommen. Kannst du auch etwas zu dir sagen und deiner Rolle in der Organisation der Munduruku?
E: „Kabia“ (etwa: „guten Tag und einen klaren Himmel“), ich bin Ediene Kirixi Munduruku, aus dem Bundesstaat Pará in Brasilien. Ich bin froh, dass ich auch hier sein kann, um mit euch zu sprechen. Ich will sagen, dass unser Kampf weitergeht, mit unserer eigenen Kraft und unserem Willen. Ich hoffe, dass ihr hier in Deutschland unseren Widerstand unterstützen könnt. Unser Kampf gilt auch der Verteidigung des Lebens des gesamten Planeten, also dem Wald, den Flüssen. Wir wollen, dass der Planet lebt und wir alle eine Zukunft haben. Für uns ist es wichtig, dass die anderen Länder auch unseren Kampf verstehen und dass wir uns gegenseitig stärken. Wir stellen uns gegen diese Projekte des Todes, wie den Bergbau.
TS: Noch eine Frage zur Indigenenschutzbehörde FUNAI. Welche Rolle soll sie spielen?
E: Die FUNAI ist eine Behörde der Bundesregierung. Sie hat Aufgaben zu erfüllen, was sie nicht gemacht hat, weil die bisherige Regierung sie daran gehindert hat. Wir hoffen, dass die FUNAI jetzt besser ausgestattet wird und ihre gesetzmäßigen Aufgaben erfüllen kann. Das ist unser Recht.
TS: Was wirst du deiner Familie sagen nach dieser Reise?
E: Ich werde sagen, dass ich Orte kennengelernt habe, die weit weg von uns sind. Und dass es mir eine Freude war, diese Orte und euch hier in Deutschland kennenzulernen. Ich werde sagen, dass ich hier Menschen getroffen habe, die unseren Kampf unterstützen, und ich hoffe, dass das ihnen gefällt. Mein Vater ist ja auch Kazike. Auch er ist im Widerstand. Er ist sehr stark. Auch durch ihn bin ich hier. Danke.
Übertragung und Bearbeitung: Thomas Schmidt